Montag, 18. September 2017


Bisher hatte ich schon reichlich von der Innenstadt Amsterdams gesehen. Ich hatte gehört, dass es auch außerhalb sehr schöne Gegenden geben sollte. Was lag da also näher, als meine direkte Nachbarschaft zu erkunden?
Ich hatte mich entgegen meinen sonstigen Gewohnheiten nicht informiert und fuhr ohne Navi und ungeplant einfach drauf los. Alles was ich wollte, war irgendwo auf einen Kanal oder See zu treffen. Das geschah relativ schnell, schon nach wenigen Minuten stieß ich auf den Nordhollandsch Kanaal, einem 75 km langen Kanal, der vom IJ bis hoch nach Den Helder und dann in die Nordsee führt.






Ganz so weit folgte ich ihm nicht, aber die Strecke war wunderschön. Ich kam an Windmühlen vorbei, sah Schafe und Kühe, Fischreiher,und natürlich jede Menge Enten. Angler saßen am Ufer und Boote schipperten gemütlich über den Kanal. Es war die perfekte, entspannte Tour am Sonntag vor meinem ersten Arbeitstag.







Am nächsten Morgen war es soweit. Ich sollte schon um 8 Uhr da sein, obwohl die Schulung erst um 9:30 Uhr begann. Aber ich hatte meinen Arbeitsvertrag noch nicht unterschrieben, nur ein Art Vor-Vertrag bekommen.
Mit mir zusammen waren noch ein paar andere zukünftige Kollegen, die ebenfalls die Einweisung bekamen und ihren Vertrag unterschrieben.
Wir bekamen jeder eine Tasse und ein Band für unsere Badge und wurden über einige wichtige Punkte informiert.



Ich erfuhr, dass man sich in den Niederlanden nicht krank schreiben lassen kann vom Arzt. Wenn man denkt, man kann nicht arbeiten, bleibt man zuhause. Das war mal eine völlig neue Sache für mich.
Bei meinem Arbeitgeber lief das so, dass man sich morgens telefonisch meldete und die Info weiter gab, dass man zuhause blieb. Wenn man zum Doc musste, oder einkaufen oder aus welchem Grund auch immer sein Haus verließ, musste man noch mal anrufen. Es ist nämlich so, dass der Arbeitgeber jederzeit einen Gesundheitsinspektor vorbei schicken kann. Und wenn der kam und man war nicht zuhause, würde das 65 Euro kosten. Man konnte sich auch von Freunden oder Familie etc. pflegen lassen. Man musste also nicht zwangsläufig zuhause bleiben, aber man musste angeben, wo man war. 
Ebenso musste man sich jeden einzelnen Tag melden. Also Montags anrufen und sagen, dass man für zwei, drei, vier Tage zuhause bleiben würde, funktionierte nicht.
Ein ziemlicher Unterschied zu Deutschland.
Zunächst wurden wir mit einer anderen Schulungsgruppe, die für ein ähnliches Projekt arbeiten würde, zusammen gebracht. Wir bekamen einen halben Tag lang gemeinsame Informationen. Wie die Firma funktionierte, was wichtig war, wer was zu sagen hatte... Der Site Director kam und stellte sich vor, ein weiterer Trainer ebenso.
Wir sollten uns gegenseitig vorstellen. Die Gruppe bestand aus den unterschiedlichsten Nationalitäten. Ich war fasziniert von einigen der Lebensgeschichten. Es gab einen australischen Arzt, der jahrelang beim Militär war, dann die Welt bereist hatte und am Ende in Amsterdam gelandet war. Hier konnte er aber nicht praktizieren, weil er die Sprache (noch) nicht sprach.
Eine junge italienische Frau war ihrem holländischen Freund hierher gefolgt, um dann zu erfahren, dass er bereits seit Jahren eine Freundin hier hatte, die er bisher immer verschwiegen hatte. Ein Franzose war sieben Jahre lang gereist, hatte mal hier und dort gearbeitet und hatte in Korea seine Traumfrau kennen gelernt, mit der er jetzt in Harleem wohnte.
So ging es weiter und weiter... ich kam mir auf einmal ziemlich langweilig vor. Mein größtes Abenteuer war mein Umzug von NRW nach Hessen, wo ich nicht mal besonders lange gelebt hatte, bevor ich wieder zurück nach NRW gezogen bin. Ansonsten hatte ich meine gewohnte Gegend nicht wirklich verlassen.
Später wurden wir getrennt und lernten unseren Trainer kennen. Domenico, ein Italiener, der schon viele Jahre in Amsterdam lebte.
Unsere Schulungsgruppe hätte nicht perfekter sein können. Wir waren nur sieben Personen, aber jeden einzelnen von ihnen Domenico inklusive, hatte ich schnell ins Herz geschlossen, und das hat sich bis jetzt auch nicht geändert.
Die eigentliche Schulung begann am nächsten Tag. Als alter Hase in dieser Branche fand ich alles nicht besonders schwer. Am Anfang sieht es immer ein bisschen viel und unübersichtlich aus, aber mir war klar, dass ich das schnell verstehen würde.
Das Wichtigste erklärte Domenico uns sofort: Jeden Freitag nach Feierabend traf man sich zum Freitagabend Beer im Brets, einem Pub neben dem Bahnhof Sloterdijk. Das war Tradition, da musste man sich ab und zu sehen lassen. Gut zu wissen.
Auch sonst schien meine neue Firma keine Gelegenheit zum Feiern auszulassen. Es gab den Christmas Beep, also die Weihnachtsfeier, auf der der Site Director sich als Weihnachtsmann verkleidete. Ich stellte mir das bei einigen früheren Arbeitgebern vor...
Halloween wurde auch gebeept, Sommer Beep war ein MUSS, und überhaupt, es wurde gebeept, wann immer sich eine Gelegenheit bot.
Die erste Woche verging schnell, und der Freitag noch schneller, da ich an dem Tag nach Utrecht musste und somit die Arbeit früher verließ.
Meine Kollegin Hannah hatte mir erzählt, dass sich die „Gemeente“ direkt gegenüber des Bahnhof Ausgangs befindet. Nur hat sie leider nicht erwähnt, welcher Ausgang. Es gab mindestens drei. Und natürlich nahm ich den, der aufgrund von Umbaumaßnahmen im Bahnhof einmal quer durch ein Einkaufszentrum führte. Der Weg führte mich an unendlich vielen Shops und Restaurants vorbei, bis ich endlich auf einem Marktplatz wieder Tageslicht sah.
Ein freundlicher Blumenhändler erklärte mir dann auf meine Nachfrage, dass ich den Bahnhof leider auf der falschen Seite verlassen hatte. Puh... also das gleiche nochmal. Quer durch das Einkaufszentrum, vorbei an Shops und Restaurants, durch den Bahnhof, Tageslicht auf der anderen Seite. Stimmt, direkt vor meiner Nase tauchte das Stadthaus auf.
Dort ging alles ohne Probleme. Ich hatte ja einen Termin, musste trotzdem noch ein Nümmerchen ziehen und kurz darauf hatte ich meine BSN und einen offiziellen Brief vom Königreich der Niederlande in der Hand. Ich war schon ein bisschen stolz.



Von da aus fuhr ich zurück nach Amsterdam Noord. Mit meiner brandneuen BSN eröffnete ich endlich das Konto (für nur 3,50 EUR bekam man gleich eine Haftpflicht Versicherung dazu, ganz praktisch wenn man so viel mit dem Rad unterwegs ist wie ich),
und machte mich wieder auf den Weg nach Sloterdijk. Unser erstes Friday after work beer wollte ich nicht verpassen, vor allem weil Domenico jeder neuen Schulungsgruppe eine Runde Bier spendiert. :)
Da ich fast nie Alkohol trinke, brauchte ich auch nicht mehr als dieses eine Bier. Es wurde ein lustiger Abend.



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