Donnerstag, 14. September 2017

Wohnungssuche in Amsterdam

Ich wusste schon, dass das kein Spaziergang wird. Dass es so schwierig wird, hätte ich nicht erwartet.
Es war schon klar, dass ich mir alleine keine Wohnung leisten konnte.Appartements in der Innenstadt sind nur was für Großverdiener. Aber auch außerhalb sind die Preise immer noch astronomisch. Sozialen Wohnungsbau oder Wohnungsbau Gesellschaften wie in Deutschland gibt es kaum. Und wenn, kam man auf Wartelisten, die in einer Stadt wie Amsterdam auch schon mal Jahre dauern konnten.
Daher freundete ich mich schnell mit dem Gedanken an, ein Zimmer in einer WG zu beziehen. Gut, ich war jetzt nicht mehr so jung und nicht die Typische Amsterdam Auswanderin, aber irgendwas wird wohl möglich sein.
Es gibt viele Internetseiten, aber diese waren nicht wirklich hilfreich. Es gab zwar Zimmer, aber wenn man die Vermieter anschreiben wollte wurde man darauf hingewiesen, dass man erstmal kostenpflichtig Mitglied werden musste. Und selbst dann war nicht sicher, ob man auch wirklich was finden würde.
Bei Facebook gibt es diverse Seiten. Rooms for rent in Amsterdam, Appartments in Amsterdam, Roommates in Amsterdam...
Ich klickte mich durch hunderte Wohnangebote. Das Hauptproblem war: Wenn man in Amsterdam offiziell leben und arbeiten möchte, braucht man eine Bürgernummer. Diese Nummer bekommt man bei der Gemeinde, allerdings nur mit einem gültigen Mietvertrag. Man muss sich also "registrieren". Doch die meisten Zimmerangebote kamen mit dem Hinweis: No Registration possible. Ich wusste zuerst nichts damit anzufangen, aber nach und nach verstand ich. Die "Vermieter" waren selber Mieter, und ihre zusätzlichen Zimmer vermieten sie ohne Zustimmung des eigentlichen Wohnungsbesitzers. Daher kein Mietvertrag, daher no registration.
Da viele, vor allem junge Leute, in Amsterdam oft nur wochen/monateweise bleiben, lohnt sich der Aufwand für Mietvertrag etc. nicht für die Wohnungseigentümer. Dadurch enstand wohl dieser unüberschaubare, chaotische Wohnungsmarkt.
Ich lernte auch, dass man eine registration adress "mieten" konnte. Für "nur" 250 € im Monat, plus natürlich Kaution, bekam man eine Anschrift und einen Vertrag, mit dem man sich bei der Gemeinde anmelden konnte.
Okay, so verzweifelt war ich noch nicht.
Als nächstes schreckten mich die Preise ab. 800 € und mehr im Monat für ein 11 qm Zimmer. Kaution in Höhe von mindestens einer Monatsmiete plus Vermittlungsgebühr. Mit Glück durfte man das Wohnzimmer mit benutzen. Manchmal aber eben auch nicht. Man war immer eigentlich illegaler Untermieter und konnte jederzeit wieder vor die Tür gesetzt werden.
Ich schrieb ungefähr 80 Leute an. Immer mit der selben Info: Ich bin 47 Jahre alt, habe demnächst einen Job in Amsterdam, interessiere mich für das Zimmer, bin nett und freundlich und ordentlich, gesellig, mag und akzeptiere natürlich auch die Privatsphäre... so in der Art.


Viele haben gar nicht geantwortet. Für manche war ich sicher schlichtweg zu alt, ich konnte mir selber schwer vorstellen in einer 4er WG mit Mittzwanzigern oder einem Haufen Studenten zu wohnen.
Der ein oder andere sagte zumindest ab, weil das Zimmer schon vergeben war oder er oder sie der Meinung war, es würde nicht passen.
Ich war vor Scammern gewarnt worden. Leuten, die Zimmer oder gar Appartements anboten, die es vermutlich gar nicht gab. Sie wollten vorab schon mal die erste Wohnungsmiete, dann würde man den Schlüssel bekommen. Aber schnell, weil es gab so viele andere Interessenten. Oder sie waren zwar gerade nicht im Lande, aber wenn man die Kaution an einen Mittelsmann bei airbnb überwies, bekam man den Schlüssel, hatte drei Tage Zeit die Wohnung zu besichtigen und wenn man kein Interesse hatte, bekam man sein Geld wieder.
Ein Mann wollte aussagekräftige Fotos von mir, ein andere bot mir eine kostenlose Unterkunft an, wenn er mich dafür regelmäßig massieren durfte.
Bei einigen hätte ich schnell vor Ort sein müssen, was nicht so einfach war. Ich hatte immer noch meinen Job in Deutschland, die Fahrt von 2,5 Std. war auch nicht mal so eben zu bewältigen.
Mit schließlich ganzen drei Terminen auf dem Plan fuhr ich dann nach Amsterdam.
Zuerst traf ich Adrian. 28 Jahre alt aus Rumänien. Auch nicht meine Altersklasse. Aber er hatte nett auf meine Anfrage geantwortet und betont, er sei froh dass ich 47 Jahre alt sei und keine Partymaus. Er hatte schon genug in Amsterdam erlebt und wollte einfach eine friedliche, saubere Wohnungskollegin.
Er holte mich am Bahnhof ab und wir machten uns auf den Weg zu Klaas, einem Makler. Der hatte Adrian schon eine Wohnung gezeigt in Amsterdam Nord. Zu teuer für ihn alleine, 1400 € inklusive Nebenkosten. Klang fast zu gut um wahr zu sein. 100 qm, 2 Schlafzimmer, Balkon, Wohnzimmer, Esszimmer, Küche, komplett renoviert und in einem schönen grünen Viertel. Unterwegs erzählte Adrian mir, in welch katastrophalen Zuständen er schon gelebt hatte. Das steigerte nicht gerade meine Hoffnungen.
Klaas empfing uns freundlich. Sein Maklerbüro war sauber und wirkte professionell.
Er zeigte mir Fotos der Wohnung. Fast schon luxuriös, geschmackvoll eingerichtet, sauber und sehr ordentlich. Klaas wollte ein bisschen von mir wissen, über meinen Job und Einkommen, um das an die Eigentümerin der Wohnung weiter zu leiten.
Dann kam die Ernüchterung. 1400 € Miete, 1400 € Kaution, 1000 € Maklergebühr, 250 € Steuern... Jeder von uns musste erstmal knapp 2000 € aufbringen um dort einziehen zu können. Nicht nur ich musste schlucken, auch Adrian war kein Großverdiener.
Dennoch... das wäre was.
Die Wohnung war noch bewohnt, deswegen konnten wir sie so spontan nicht besichtigen, aber Klaas schlug vor, dass Adrian und ich hinfahren konnten damit ich mir schon mal einen Überblick über die Gesamtsituation machen konnte. Einen Besichtigungstermin würde er für die kommende Woche machen können, wenn die Mieter aus der Wohnung ausgezogen waren.
Also mietete ich am Bahnhof ein Fahrrad, Adrian hatte als Amsterdamer ja sowieso eins.
Wir setzten mit der Fähre über den Fluss und fuhren von dort noch 20 Minuten bis zu der Wohnanlage.

Traumhaft... es waren zwar nicht wirklich schöne Wohnblocks, aber die Gegend war grün, ruhig, ein Bus fuhr in der Nähe. Die Leute die uns dort begegneten und dort offensichtlich wohnten waren freundlich und "normal", keine Problemgegend.
Hier konnte ich mir wirklich vorstellen zu leben. Auch Adrian war aus dem Häuschen.
Wir radelten wieder zurück. Mein Kopf war voller Eindrücke. Ich wollte so gerne da wohnen, aber das viele Geld...
Am Bahnhof verabschiedete ich mich von Adrian, der mich schon "Roomie" nannte.
Mein nächster Termin war ein Treffen mit Nina. Eine junge Münchnerin, die ihr Zimmer in einer Vierer WG zwar nicht dauerhaft vermietete, aber für 3,5 Wochen. Dies machen viele die das Land im Urlaub verlassen.
Das war mein Plan B, falls ich nichts passendes finden würde. Ein Not-Zimmer, damit ich vor Ort sein konnte und schnell reagieren konnte. Ziemlich riskant, falls ich in den 3,5 Wochen nichts finden würde, wäre ich obdachlos. Aber ich war schon einigermaßen verzweifelt.
Nach der Luxus Wohnung, die ich zwar nicht von innen gesehen hatte, aber von der Klaas und Adrian behaupteten, sie sähe in echt genauso aus wie auf den Fotos, erwartete mich nun was ganz anderes. Nina wohnte mitten in der Stadt. In unmittelbarer Nähe zu einem der größten Ausgehplätze Ein verstecktes kleines Häuschen in dem man sicher den Trubel der Partypeople mitbekommen würde.
Das war jedenfalls Amsterdam pur.
Nina war sehr nett. Wir hatten vorher schon telefoniert und sie hatte mir von den Eigenarten des Hauses und der WG erzählt.
Dies war eines der Häuser, in dem die Mitbewohner so oft wechselten, dass registration nicht möglich war.
Ihr Zimmer war eine Art Aquarium im Erdgeschoss. Kein Fenster nach draußen, aber eins zum Wohnungsflur. Es gab Rollos, aber die nutzte sie nicht oder nur selten. Jeder der das Haus betrat, musste an ihrem Zimmer vorbei und sah damit zwangsläufig in ihr privates Reich.
Unten war noch eine Toilette, ansonsten nur eine Treppe nach oben. In der 1.Etage war eine Küche und ein Wohnzimmer. Alles etwas alt und vielleicht renovierungsbedürftig, aber vollkommen ausreichend. Auf dieser Etage hatte sich eine Mitbewohnerin eine Nische mit Pappe zugebaut, also quasi ein Zimmer erschaffen. Ohne Wände, ohne richtige Tür, nur mit Pappe.
Eine weitere Etage höher war ein richtiges Zimmer. Und der Zugang zu einer wirklich netten Dachterrasse. Dort konnte man sicher prima Stunden verbringen.
Auf der obersten Etage war ein winziges Zimmer mit schrägen auf beiden Seiten, so dass man nicht mal einen Schrank aufstellen konnte. Trotzdem wirkte das Zimmer eigentlich recht gemütlich. Das Badezimmer und die Waschmaschine befand sich ebenfalls da oben.
Wir setzen uns eine Weile ins Wohnzimmer und plauderten. Das Haus war für meine bis dahin geordneten und spießigen Verhältnisse total schräg, aber ich wäre trotzdem gerne dort eingezogen. Nur war es ja als Plan B gedacht, eine feste Bleibe wäre mir natürlich lieber.
Ich erfuhr, dass Nina, genau wie alle anderen mit denen ich gesprochen hatte, ebenfalls solche Probleme gehabt hatte, eine Bleibe zu finden. Sie hatte auch zunächst eine Übergangslösung gefunden, und nach langer Suche in der Nacht, bevor sie dort ausziehen musste, erst die Zusage für eine feste Unterkunft erhalten.
Ich war dankbar für jede Information, aber das senkte meine Hoffnung noch mehr, irgendwie schnell was erschwingliches zu finden, noch weiter.
Nina brachte mich noch ein Stück, um mir den Weg zur Metro Station zu zeigen und wir verabredeten, uns demnächst mal auf einen Kaffee zu treffen, wenn sie wieder im Lande war und ich in Amsterdam sesshaft geworden war.
Mein dritter und letzter Termin für diesen Tag war in Sloterdijk. Dort war auch meine neue Arbeitsstelle, deswegen war ich auf dieses Zimmer besonders gespannt.

Auf den Fotos sah es toll aus. Gemütliches Zimmerchen im Erdgeschoss mit eigenem Zugang zu einem Mini-Garten. Sauber, gepflegt. Die Bewohner waren selber Mieter, ein junges Paar. Aber Registrierung war auch dort möglich wenn man länger blieb. Und sie hatten zwei kleine Hunde wie ich schon wusste. Das würde mir die Trennung von meinem Hund, der in Deutschland bei meiner Tochter bleiben würde, vielleicht etwas erleichtern.
Das Paar war sehr nett und freundlich. Außer mir war eine junge Frau gerade zur Besichtigung da. Diese erzählte dass sie erst vor zwei Monaten umgezogen war, aber der Eigentümer sie nun raus schmiss, weil er die Wohnung selber nutzen wollte. Ebenfalls üblich in Amsterdam.
Die Wohnung war zwar wirklich sehr ordentlich, aber winzig. Geschätzt vielleicht 55 qm. Mini Wohnzimmer, offene Küche. Kleines Badezimmer und zwei Schlafzimmer. Direkt aneinander. Beide hatten Zugang zum kleinen Garten, der eher nur eine Terrasse war. Die allerdings recht hübsch war. Privatsphäre wäre dort vermutlich nicht mal im eigenen Zimmer möglich, da man mit ziemlicher Sicherheit jeden Schritt und jedes Wort, das egal wo in der Wohnung gesprochen wurde, hören konnte. Dort Besuch zu empfangen wäre fast unmöglich gewesen.
Ich war allerdings verzweifelt genug, auch dieses Zimmer zu nehmen.
Man wollte sich am nächsten Tag entscheiden. Mit mit dem Kopf voller Eindrücke und dem Gefühl, nicht wirklich weiter gekommen zu sein, verließ ich Amsterdam in Richtung Heimat.
Am nächsten Tag erhielt ich die Nachricht des netten Paares aus Sloterdijk, dass sie sich für einen anderen Mitbewohner entschieden hatten. Sie bedankten sich aber, dass ich gekommen war und wünschten mir viel Glück bei der Zimmersuche.
Kurz darauf schrieb Klaas, dass die Eigentümerin der Luxuswohnung sich entschieden hatte, die Wohnung an ein befreundetes Paar zu vermieten. Ihr war es zu riskant, zwei einander Fremde dort einziehen zu lassen. Ich konnte es verstehen, war aber trotzdem enttäuscht. Klaas hatte jedoch eine Ersatzwohnung parat. Ebenfalls im Norden, nicht ganz so im Grünen, dafür ein großes Einkaufszentrum mit allem was man so brauchte direkt gegenüber. Gleicher Preis, nur nicht ganz so luxuriös und näher zur Fähre.
Ich stimmte zu, die Wohnung am kommenden Donnerstag zu besichtigen.
Gleichzeitig hatte ich immer noch das Problem, wie ich 2000 Euro aufbringen sollte. Denn diese Kosten würden auch bei der zweiten Wohnung auf mich zukommen.
Ich erzählte in meinem Freundeskreis davon und heulte mich ein bisschen aus. 1000 Euro konnte ich aufbringen, die restlichen waren unerreichbar für mich. 
Doch mein rettender Engel war eine Freundin. Sie sagte, daran dürfte mein Traum von einem neuen Leben nicht scheitern und sie überwies mir kurzerhand 650 Euro. Ich kann jetzt noch nicht fassen, dass sie das so einfach getan hat und werde immer und ewig dankbar dafür sein.
Die fehlenden 350 kamen von meiner Tochter und ihrem Freund, dafür überlies ich ihnen die Einbauküche und vor allem die Kaution.

Okay, die Finanzen waren geregelt. Jetzt brauchte ich nur noch eine Wohnung.

1 Kommentar:

  1. Hoi Moni,wow,das ist ja noch schlimmer,als ich dachte. Ich wollte zwar nicht nach A'dam ziehen, aber in Alkmaar wird es dann auch nicht wirklich einfacher sein...Hast du jetzt eine feste Bleibe??? Ich wünsche es dir!!! Ingrid

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